Reisetag 3: Dienstag, 4.9.2012, Fahrt in der Transsib
Wir schlafen ziemlich lange, eigentlich weckt uns das Staubsaugen der Provodniza. Zwar kommt ein “Semmelservice” durch den Zug, Heinz und ich wollen das Frühstück im Speisewagen probieren. Irgendwie machen wir uns verständlich oder bekommen halt was: Kaffee, 1 Käsebrot und 1 Ham&Eggs (war so la-la) – mit 400 Rubel relativ happig.
Im Zug vergeht uns die Zeit wie im Flug, es ist dauernd was los: Morgentoilette, rauchen, im Abteil rausschauen, beim Gangfenster rausschauen, dann sind wieder die Aufenthalte (z.B. KRASNOUFIMSK, 11:52). Heute fahren wir an vielen Erdöl-Förderanlagen vorbei. Knapp vor Jektarinenburg überqueren wir sehr unspektakulär den Ural (an dieser Stelle 400-500 m hoch), vom Obelisk als Grenzmarkierung Europa-Asien haben wir, trotz intensivstem Ausguck, aber nichts gesehen. Die Landschaften glänzen im Sonnenlicht, die Wälder und Wiesen zeigen ihr herbstliches Kleid. Pünktlich um 15:50 sind wir in JEKTARINENBURG. Es ist etwas kühler, wir bunkern wieder Proviant und Bier. Bald nachher, in Istok, werden die Bio-WCs entleert (der nächste längere Stopp war dann in TJUMEN um 22:17, nachts wird aber auf den Bahnsteigen nichts verkauft).
Wir verbringen die Zeit mit spielen, essen und schauen, ohne daß uns langweilig wurde. Zum Glück haben wir auch das Strom-Verlängerungskabel: zwar gibt es nicht ständig Strom, aber doch soweit, daß wir unsere Geräte, vor allem Fotoapparat, immer wieder aufladen können. Wir lassen das Kabel auch ständig verlegt, auch in den Stationen und nachts – generell haben wir keine Befürchtungen wegen Diebstahl etc. Wir sind zwar nicht unvorsichtig, aber übertriebene Vorsicht wäre nicht notwendig gewesen. Abends kaufen wir bei der Provodniza vom Nebenwaggon, die uns schon am Vorabend am Weg zum Bier im Speisewagen `becirct´ hat, klammheimlich (“Psst, psst”, dabei die Finger verschwörerisch über die Lippen) 1 Flasche Wein (600 Rubel anstelle 2.000 im Speisewagen) und ½ lt. Vodka um 500 Rub. – beides so `naja, geht´.
Reisetag 4: Mittwoch, 5.9.2012, Fahrt in der Transsib
Wir fahren in die 3. Zeitzone, nachts rumpelt der Zug oft ganz ordentlich, als ob er über Schlaglöcher fährt. Es stört eigentlich nicht wirklich, aber wir in den oberen Betten finden die Absturzsicherungen beruhigend, vor allem beim Umdrehen im Schlaf. OMSK (6:39, Aufenthalt) verschlafen wir, wahrscheinlich auch das Semmelservice. Morgens blinzeln wir dann schlaftrunken in etwas Regen hinein, der aber bald aufhört. Gegen 8:45 Uhr kommt das Gabelfrühstück: 1 Hot Dog, 3 Teigtaschen mit Erdäpfel gefüllt um 230 Rubel, das hat schon gepaßt. Und Kaffee machen wir uns sowieso öfters mit dem Heißwasser aus dem Samowar.
Mittlerweilen sind auch weniger Passagiere im Zug, was den Vorteil hat, daß die WCs weniger oft besetzt und, vor allem, sauberer sind. Zwar werden sie oft gereinigt und Papier nachgefüllt, trotzdem ist es manchmal besser, wenn man seinen `Besuch´ aufschieben kann und/oder eigenes Papier dabei hat. Seife ist immer vorrätig, Heißwasser holt man aus dem Samowar, aber selbst eine Katzenwäsche setzt eine gewisse Akrobatik voraus, einerseits wegen der Enge, anderseits weil der Zug rumpelt (in den Stationen wäre es einfacher, aber da geht man ja auf den Bahnsteig einkaufen und fotografieren). Sehr nützlich waren auf jeden Fall die Halterungen von Frau Knop, damit man das Waschwasser auch fließen lassen kann.
Um 9:00 Uhr sind wir (pünktlich) in TATARSK (auch ein grüner, schöner Bahnhof), knapp vor 11:00 Uhr empfängt uns BARABINSK mit 10°C und verhangenem Himmel. Wir machen Großeinkauf bei den Mamutschkas und Kiosks, Trockensuppen und –menüs, aber kein Bier – gibt es nicht. Generell ist hier die Auswahl geringer und die Preise höher als an den Vortagen. Bis Novosibirsk ist heute “Shoppingmeile”, da zahlreiche Verkäuferinnen im Zug sind: Strickwaren, Socken, Felle, geräucherter Fisch, Umhänge – eher schon etwas störend. Aber die (durchwegs) russichen Fahrgäste kaufen doch dann und wann.
Wir bereiten uns die Suppen zu und stellen fest, daß sie recht gut schmecken, die Trockenmenüs eher weniger. Knapp vor Novosibirsk überqueren wir die Ob, trotz Niedrigwasser sehr imposant. Um 14:44 Uhr sind wir in NOVOSIBIRSK, eine lebendige Großstadt, bald nachher haben wir Moskauer Zeit +4 Stunden.
Wie öfters so zwischendurch, ist ein kleines Nickerchen angesagt, allerdings müssen wir immer wieder die Landschaft bestaunen: Obwohl die Taiga sich mit Wäldern, Steppen, Flüssen, Ortschaften mit den schmucken Holzhäusern, gelegentlich Tierherden sich wiederholt, ist es doch immer wieder anders. Auch das Farbenkleid der Bäume und Wälder ist regional unterschiedlich. Besonders bestaunen wir die Bahnübergänge: bei den Schranken gehen aus den Fahrbahnen metallene Klappen hoch, wie ein Maul, das sich den Autos entgegen stellt – faszinierend! Vielleicht glauben wir auch doch irgendwie, daß sich ein Auto mal in dieser Sperre fängt?
Brauste bisher so alle 3-5 Minuten ein Zug in der Gegenrichtung vorbei (fast nur Güterzüge), so wurden am Nachmittag in diesem Streckenabschnitt die Züge etwas weniger. Speziell nachts fällt das auf, obwohl zwischen unserem Abteil (mit Türe) und Gegengleis der Gangbereich war.
Für die Provodniza gab´s noch ein “Gute-Nacht-Goodie”, nach dem Packen waren wir bald in unseren Betten, da die Nacht kurz war.