Die mongolische Mentalität

Die Mentalität in der Mongolei ist komplett anders als in Russland oder China. Da ich selbst nur eine Woche in diesem spannenden Land war, habe ich Philipp gebeten die mongolische Mentalität genauer zu beschreiben. Philipp war schon viele Male in der Mongolei und gibt auf seiner tollen Seite mongoleireise.com jede Menge Reisetipps.

Ankunft in der Mongolei

Kommst Du von Norden aus in die Mongolei, dann wirst du auf russischer Seite der Grenze durch die Region der Burjaten kommen. Diese führen eine ähnliche Lebensweise und Mentalität wie die Menschen in der Mongolei. Dort gibt es auch eine mit den Mongolen eng verwandte Minderheit der Burjaten.

Lass Dich in der Mongolei nicht von den vielen kleinen Händlern, Geschäftemachern und mehr oder weniger dubiosen Taxifahrer überraschen. Der Bahnhof von Ulaanbaatar ist eine Gegend, die man lieber schnell verlässt. Als Ausländer fällst Du hier natürlich sofort auf. Du wirst hier von einem Taxifahrer angesprochen, einen Meter weiter bekommst Du Teigtaschen angeboten und wieder ein paar Schritte weiter dann eine Tour durch die Gobi. Die Geschäftstüchtigkeit ist der erste Aspekt der mongolischen Mentalität, die Du erfahren wirst.

Identitätssuche

Die Mongolei war in den letzten 200 Jahren immer entweder chinesisch oder russisch dominiert. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion fiel die vorherrschende sozialistische Sicht weg und die Mongolen suchen seit Anfang der 90er Jahre nach einer eigenen Identität. Bisher haben sie eine einfache Antwort gefunden: Chinggis Khan! Gesprochen: “Tschingis Hahn”.

Du wirst in der Mongolei mehrere Banken, Hotels, Biermarken und Vodkasorten mit diesem Namen finden. Auch der Flughafen wurde Chinggis Khan Flughafen genannt. Der zentrale Platz vor dem Parlamentsgebäude wechselt den Namen hin und her und heisst auch manchmal Chinggis Khan Platz. Wenn Du Dich also verabreden möchtest, sei vorsichtig, wenn es etwas mit Chinggis Khan zu tun hat. Es könnte mehrere Möglichkeiten geben.

Kleiner Tipp: Halte dich mit negativen Meinungen zu Chinggis Khan zurück. Früher (unter sowjetischem Einfluß) war es jahrzehntelang verboten eine positive Einstellung zu Chinggis Khan zu äußern und unliebsame mongolische Politiker die etwa eine Feier zu Ehren des Mongolenführers ausrichten wollten, wurden von ihren Posten entfernt oder es ist ihnen Schlimmeres passiert. Von daher ist es verständlich, dass es plötzlich eine starke Abneigung gegen jegliche Kritik gibt.

Stolz und Abschottung

Du wirst vielleicht erstaunt sein, wie oft sich Gespräche um die Mongolei drehen. Alleine im Alltag wirst du häufig das Wort “Mongol” hören. Es herrscht ein durchaus Mongolei-zentrisches Weltbild vor. Dies ist aber wohl in vielen Ländern der Welt so. Zu dem Stolz das größte Reich der Erde beherrscht zu haben gesellt sich gleichzeitig große Unsicherheit. Die Mongolei ist heute ein unbedeutendes Land, welches darunter leidet, sich selbst mit dem “größten Reich das jemals existierte” im Jahr 1260 zu vergleichen. Mongolen kommen einem oft etwas kühl, sehr selbstbewusst und manchmal demonstrativ stolz vor. Dabei geht es manchmal auch um Abgrenzung. Zudem zeigt sich der Einfluss der in der Öffentlichkeit kühlen russischen Mentalität.

Der dritte Nachbar

Die Mongolei hat seit Jahren eine Strategie des “Dritten Nachbarn”. Es wird dabei versucht, gute Beziehungen zu Drittstaaten, insbesondere zu den USA aufzubauen und die Abhängigkeit von China und Russland dadurch zu verringern. Das spiegelt sich auch in der Mentalität wieder. Viele junge Mongolen in Ulaanbaatar gingen auf englischsprachige Schulen und Kindergärten und sprechen nun akzentfrei Englisch. Moderne Ideen und Trends von #metoo bis vegane Ernährung finden in Ulaanbaatar ebenfalls Verbreitung. Das übrige Land wird davon allerdings noch wenig berührt.

Achtung: Ellebogen

Die politische Wende traf die Mongolei schlimmer als Russland und wesentlich schlimmer als die DDR. In wenigen Wochen ist die Wirtschaft zusammen gebrochen. Die Mongolei war auf Hilfslieferungen der sozialistischen Bruderstaaten angewiesen, die von einem auf den anderen Tag eingestellt wurden. Viele Menschen verloren in dieser Zeit ihre Arbeit. Nicht wenige verzweifelten in dieser Lage und wurden Alkoholiker. Familien schlugen sich irgendwie durch – oft war selbst das tägliche Essen keine Selbstverständlichkeit. In dieser Zeit hat sich schnell auch eine sehr rabiate Verhaltensweise durchgesetzt, die man manchmal noch heute zu Gesicht bekommt. Zum Beispiel wenn Du in einen Club gehst oder in Ulaanbaatar in einen Verkehrsunfall verwickelt bist. Sei vorsichtig in solchen Situationen.

Gepaart mit dem Stolz kann es also durchaus vorkommen, dass Mongolen etwas stark auf ihre Stärke pochen und nicht nur eine “Ich bin der König in dieser Bar” Mentalität haben, sondern dies auch in genau diesen Worten einem Reisenden mitteilen. Zudem wurde den Mongolen in den 90er Jahren nichts gegeben – alles mussten sie sich selbst nehmen. Vielleicht führt auch dies dazu, dass viele Reisende sagen, dass sie in der Mongolei beklaut wurden.

Auch die Boomjahre 2011-2012 waren von einer gewissen Überheblichkeit und Ellebogenmentalität geprägt. Mittlerweile ist es viel besser und friedlicher geworden. Die meisten Mongolen glauben weder an schnellen Reichtum wie in den Boomjahren, noch daran, dass morgen kein Essen auf dem Tisch steht, wie Anfang der 90er Jahre.

Gastfreundschaft und weiter Horizont

Einer der schönsten Momente, die Du erleben kannst ist die Gastfreundschaft der Mongolen. Insbesondere abseits der Touristenströme, also z.B. im äußersten Westen der Mongolei sind die Menschen besonders gastfreundlich. Aber auch in der Stadt trifft man nicht nur gastfreundliche, sondern auch hoch interessante Menschen – die oft schon viel erlebt haben und interessante Projekte haben. Ob dies die Übersetzung von philosophischen Werken beinhaltet oder eine Yogagruppe, die am Wochenende in die Berge wandert um dort Yoga zu machen. Die Mongolei kann Dich überraschen mit besonderen Begegnungen.

Die meisten Mongolen nehmen Touristen einfach wahr, ohne sich dazu eine starke Meinung zu bilden. Man lebt eher nebeneinander – und in dem Bewusstsein, dass Touristen nur in den zwei bis drei warmen Monaten im Land sind. Für einige Nomaden in den Touristenhotspots von Terelj, um Khakhorin oder in der Gobi sind Touristen eine gute Einnahmequelle aber auch willkommene Abwechslung im kurzen Sommer.

Deutsch in der Mongolei

Viele Mongolen sprechen Deutsch. Es gibt Schätzungen, die von 30.000 deutschsprechenden Mongolen ausgeht. Das wären 1% der Gesamtbevölkerung. Wahrscheinlich ein absoluter Rekord in Asien. In der Mongolei gibt es Schulen, in welchen Deutsch als erste Fremdsprache unterrichtet wird. In Ulaanbaatar kann es gut sein, dass Du junge Reiseführer triffst, die mit dir auf Deutsch sprechen, aber auch der eine oder andere Obdachlose, emeritierte Professor, Taxifahrer oder die Verkäuferin von Souvenirs können teilweise überraschend gut Deutsch sprechen.

Ein etwa 50-jähriger fliegender Kleinhändler mit einem Bauchladen voll Postkarten hat mich vor einer Sehenswürdigkeit in Ulaanbaatar angesprochen. Als er erfuhr, dass ich Deutsch spreche, hat er mir erzählt, dass er mehr als 8 Jahre in Deutschland gelebt hat und gerne nach Deutschland zurück will, “da man in der Mongolei kein professionelles Bitcoin business aufziehen kann”. Ich war sprachlos. Ich wünsche dir viel Spaß bei ähnlich wunderbaren Begegnungen in der Mongolei!

Tipps zum Verhalten in der Mongolei und mehr über die lokale Mentalität findest Du auch auf: mongoleireise.com